Es ist kurz vor Mitternacht. Die letzten Gäst*innen gehen, das Licht im Gastraum wird gedimmt. Jetzt noch Kasse zählen, Gläser wegräumen, den nächsten Tag vorbereiten. Überstunden gehören in der Gastro für viele dazu. Aber kennst Du die steuerlichen Hintergründe?
Ob Servicekraft, Küchenleitung oder Betriebsführung – wer die Regeln kennt, kann fair planen und den Einsatz des Teams richtig würdigen. In diesem Artikel erfährst Du, ob Überstunden steuerfrei sind, welche Zuschläge es gibt und noch mehr.
Was bedeutet „Überstunden“ im steuerlichen Kontext?
Überstunden, Mehrarbeit – alles das Gleiche? Klingt ähnlich, rechtlich gibt es aber klare Unterschiede.
- Überstunden entstehen, wenn Mitarbeitende mehr arbeiten, als im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Beispiel: Wer laut Vertrag 40 Stunden pro Woche arbeitet und 45 Stunden leistet, sammelt fünf Überstunden.
- Mehrarbeit bedeutet dagegen, dass die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschritten wird. Das Arbeitszeitgesetz legt fest: In der Regel dürfen Beschäftigte nicht mehr als acht Stunden täglich arbeiten – mit Ausnahmen bis zu zehn Stunden, wenn der Ausgleich innerhalb von sechs Monaten erfolgt.
Für die Praxis heißt das:
Überstunden sind eine betriebliche oder vertragliche Angelegenheit.
Mehrarbeit betrifft das Arbeitszeitgesetz und damit den gesetzlichen Rahmen.
Beide Formen können vergütet oder mit Freizeit ausgeglichen werden. Entscheidend ist, was im Vertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag festgelegt ist.
Aktuelle steuerliche Behandlung von Überstundenvergütung
Normalerweise sind Überstundenvergütungen steuer- und sozialversicherungspflichtig. Das heißt: Wenn Überstunden in Geld ausgezahlt werden, gelten sie als reguläres Einkommen und werden wie der normale Arbeitslohn behandelt.
Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Zuschläge, die unter § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) fallen. Sie können steuerfrei bleiben, wenn sie zusätzlich zum Grundlohn gezahlt und klar ausgewiesen werden:
- Nachtzuschläge: Arbeit zwischen 20 bis 6 Uhr bis zu 25 % des Grundlohns steuerfrei möglich, zwischen 0 bis 4 Uhr sogar bis zu 40 %.
- Sonntagszuschläge: Arbeit an Sonntagen – steuerfrei bis zu 50 % des Grundlohns
- Feiertagszuschläge: Arbeit an gesetzlichen Feiertagen – steuerfrei bis zu 125 % des Grundlohns, an manchen Tag wie 1. Mai sogar 150 %
Wichtig ist, dass die Zuschläge nicht im Grundlohn enthalten, sondern zusätzlich gezahlt werden. Nur dann greift die Steuerbefreiung.
Geplante Gesetzesänderung: Werden Zuschläge für Überstunden steuerfrei?
Laut Koalitionsvertrag 2025 sollen steuerliche Vorteile für Überstunden eingeführt werden. Bundeskanzler Friedrich Merz hat angekündigt, diese Regelung schnell umzusetzen. Damit sollen Menschen, die regelmäßig mehr arbeiten als vertraglich vereinbart, entlastet werden. Das Ziel: Mehrarbeit soll sich stärker lohnen und helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Oft ist in den Medien zu hören, dass Überstunden komplett steuerfrei werden sollen – das stimmt aber so nicht. Geplant ist nur, dass die Zuschläge für Überstunden steuerfrei sind, und auch nur bis zu 25 % des Grundlohns pro Stunde. Die Sozialabgaben müssen trotzdem weitergezahlt werden. Es geht also nur um eine Befreiung von der Lohnsteuer.
Rechenbeispiele zur Steuerentlastung für Arbeitnehmende
Ausgangslage: Barkeeperin Mareike verdient 3.600 € brutto/Monat. Bei etwa 160 Stunden/Monat entspricht das einem Stundenlohn von 22,50 €. Auf den Lohn fallen rund 33 % Abgaben (Steuern + Sozialversicherung). Netto ≈ 2.412,00 €.
In einem arbeitsintensiven Monat leistet Mareike 8 Überstunden (insgesamt 168 Std.). Der Tarifvertrag zahlt Überstunden aus und sieht einen Überstundenzuschlag von 25 % vor.
Bisherige Regelung (alles steuerpflichtig)
| Gehalt | 3.600,00 € |
| + Überstundenvergütung (8 × 22,50 €) | 180,00 € |
| + Zuschlag 25 % (8 × 5,625 €) | 45,00 € |
| = Gesamtbruttogehalt | 3.825,00 € |
| – Abzüge 33 % | 1.262,25 € |
| = Netto dieses Monats | 2.562,75 € |
Geplante Regel (Zuschlag steuerfrei, aber SV-pflichtig)
| Gehalt | 3.600,00 € |
| + Überstundenvergütung (8 × 22,50 €) | 180,00 € |
| = Steuerpflichtiges Bruttogehalt | 3.780,00 € |
| - Abzüge 33 % (auf steuerpflichtigen Teil) | 1.247,40 € |
| = Netto aus dem steuerpflichtigen Teil | 2.532,60 € |
| + Zuschlag 25 % (8 × 5,625 €) | 45,00 € |
| - Sozialversicherungsabzug auf Zuschlag (angenommen 20 %) | 9,00 € |
| = Neues Nettogehalt | 2.568,60 € |
Das ergibt einen Vorteil von etwa +5,85 € netto in diesem Monat.
Die tatsächliche Entlastung bleibt also überschaubar. Außerdem sollen die geplanten Entlastungen nur für Vollzeitbeschäftigte gelten – also für Menschen mit einer 34-Stunden-Woche bei tariflichen oder einer 40-Stunden-Woche bei außertariflichen Verträgen. Eine Studie des Wirtschafts‑ und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) zeigt, dass nur eine sehr kleine Minderheit der Beschäftigten davon profitieren würde: nur ca. 1,4 % aller Beschäftigten.
Der Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen warnt davor, dass die Maßnahme kaum Effekte auf das Arbeitsangebot hätte, dafür aber mit Gestaltungs- und Bürokratieproblemen belastet sei.
Auswirkungen für Arbeitgebende
Wenn Zuschläge steuerfrei bleiben, können sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende profitieren:
- Anreizsystem: Zusätzliche Schichten werden attraktiver, weil sich der Einsatz im Netto bemerkbar macht.
- Mitarbeiterbindung: Wer merkt, dass Leistung gesehen und fair vergütet wird, bleibt engagiert und länger im Unternehmen.
- Flexibilität: Betriebe können auf hohe Auslastung oder kurzfristige Änderungen reagieren, ohne dass sich Überstunden finanziell übermäßig auswirken.
Trotzdem ist wichtig, dabei ehrlich und transparent zu kommunizieren. Steuerfreie Zuschläge klingen nach großem Vorteil – in der Praxis geht es aber oft nur um ein paar Euro mehr im Monat. Überstunden sollten deshalb kein Mittel sein, um Mitarbeitende mit finanziellen Anreizen zu „locken“.
Denn: Wenn Überstunden zur Regel werden, stimmt etwas in der Personalplanung nicht. Ein gutes System erkennt rechtzeitig, wann die Belastung steigt – und sorgt für Ausgleich, bevor sie zum Dauerzustand wird. Ziel sollte sein, Arbeit fair und realistisch zu gestalten.
Mit digitalen Lösungen hast Du Überstunden und Auslastung immer im Blick. Du kannst vorausschauend planen und erkennst, wann Teams an ihre Grenzen kommen. So entsteht eine Balance zwischen Einsatz und Erholung. Und wenn Überstunden doch einmal notwendig sind, werden sie richtig erfasst und berechnet und transparent vergütet.
Häufige Fragen (FAQ) – schnell beantwortet
- Sind Überstunden steuerfrei?
Nein. Nach aktueller Rechtslage unterliegen Überstundenentgelte vollständig der Lohnsteuer und Sozialversicherungspflicht. Nur bestimmte Zuschläge (z. B. Nacht-, Sonn- oder Feiertagszuschläge) sind unter klaren Voraussetzungen steuerfrei.
- Überstunden steuerfrei: ab wann wird es umgesetzt?
Bislang gibt es kein in Kraft getretenes Gesetz, das Überstunden steuerfrei stellt. Es ist jedoch ein Gesetzgebungsverfahren geplant: Zuschläge für Überstunden sollen steuerfrei werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind – z. B. volle tariflich orientierte Vollzeitarbeit, klar ausgewiesene Zuschläge, digitale Zeiterfassung. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest.
- Wie viel Steuern zahlt man auf Überstunden?
Der volle Betrag (Grundvergütung + Zuschläge) wird mit dem individuellen Steuersatz + Sozialversicherungsbeiträgen belastet. Der Satz richtet sich nach Steuerklasse, Einkommen und Sozialversicherungspflicht.
Ist ein Zuschlag steuerfrei (unter künftiger Regelung), würde nur der Grundlohnbetrag steuerpflichtig bleiben. - Welche Software hilft bei der Erfassung und Steueroptimierung von Überstunden?
e2n ist eine geeignete Lösung für die Erfassung und Abrechnung von Überstunden. Im System kann eine automatische Überstundenberechnung (Wochen- oder Monatskonto) aktiviert werden. Überstunden können sowohl durch Freizeitabbau als auch durch Auszahlung abgebildet werden. Und besonders praktisch: In der e2n me App sieht jede*r Mitarbeitende den aktuellen Überstundenstand im Jahreskonto.
Überstunden: steuerfrei oder versteuert
Obwohl die Maßnahme formal Entlastung bringen soll, ist ihr Nutzen für viele Beschäftigte sehr gering. Sie verbessert nur minimal die Netto-Situation der Mehrheit. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist es für Arbeitgebende wichtig, die Lage transparent an ihre Teams zu kommunizieren.
In e2n verwaltest Du Überstunden ganz einfach. Für Deine Gehaltsempfänger*innen kannst Du die Überstundenberechnung pro Woche oder Monat aktivieren. Oder definiere einen maximalen Auszahlungsbetrag für Deine Stundenlohnempfänger*innen. Mehr dazu gibt’s in unserem Handbuch:


